Chiloé (4) – Das ist also das Ende!
Wo gerade noch schönster Sonnenschein war, regnet es jetzt so heftig, dass man kaum noch zwei Meter weit sieht. Kaum haben wir uns an den Regen und die dadurch bedingten schwierigen Fahrverhältnisse gewöhnt, scheint auch schon wieder die Sonne. Doch zu früh gefreut der nächste heftige Guss wartet auch schon wieder an der nächsten Kurve. Eineinhalb Stunden geht das Wetter so weiter. Da fällt mir gleich wieder Darwins Aussage über das Wetter auf Chiloe ein. 😉
Wir sind auf dem Weg nach Quellón, der südlichsten Stadt Chiloés, weder die Besitzer unserer letzten Unterkünfte, noch unserer Reiseführer verlieren auch nur ein positives Wort über diese Hafenstadt.
Und auch unser erster Eindruck verheißt nichts Gutes. Der Regen und das kalte Wetter schlagen zusätzlich auf unser Gemüt – der Tag ist und bleibt durchwachsen.
Wir sollen den Besitzer der nächsten Cabaña in einem Restaurant treffen, doch einmal mehr findet unser Navi die angegebene Adresse nicht. Wir müssen den Besitzer also anrufen – und wer uns kennt, weiß, dass das mit unserem grandiosen Spanisch ein kleines Abenteuer für sich darstellt. Doch überraschenderweise funktioniert die Kommunikation diesmal sogar ganz gut, nur leider ist die Cabaña erst ab 16 Uhr bezugsfertig. Den Weg zu ihm können wir uns also vorläufig sparen.
Gut, dass gerade Mittag ist und wir sowieso hungrig sind. Wir beschließen das einzige angeführte Lokal in unserem Reiseführer zu suchen. Und nach einigen kleinen Irrungen finden wir es sogar. Aber wie könnte es an Tagen wie diesen anders sein? Es hat natürlich zu! Gegenüber befindet sich ein kleiner Fast Food Laden und so wird es schlussendlich eine Familienportion Salchipapas. Was in unserem Fall bedeutet, Leonie isst die Würstchen und wir die Pommes!
Und was jetzt? Der Regen will einfach nicht aufhören! Zufällig haben wir unser Auto direkt vor einem kleinen Café (Café „Nómade Ciclo“) geparkt, dem wir vorhin auf der Suche nach dem anderen Lokal kaum Beachtung geschenkt hatten. Es gibt sogar WiFi und (vegetarisches) Essen. Leonie und ich gönnen uns einen Brownie mit Eis, den brauchen wir gerade dringend!
Denn nicht nur das Wetter und die düstere Stadt trüben unsere Stimmung. Leonie ist schon den ganzen Tag von heftigem Heimweh geplagt. Zum ersten Mal auf unserer Reise vermisst sie unsere Familie und ihre Freunde so sehr, dass sie nach Hause möchte! Und am besten sofort! Es ist ihr mehr als ernst. Sie spinnt Pläne, wie sie am besten wieder nach Hause kommt, wie wir (ohne sie!) trotzdem weiter reisen können und wo sie derweil wohnen könnte. Sie versichert uns, dass sie uns eh nicht vermissen wird, weil sie zu Hause ja sowieso viel zu tun hat und ihre Hochzeit mit ihrem besten Kindergartenfreund vorbereiten möchte. Und wenn wir fertig sind mit Reisen können wir dann zur Hochzeit kommen. Wir hören ihr aufmerksam zu und wissen gerade nicht, ob wir lachen oder weinen sollen.
Brownie, Facetimen und WhatsAppen mit Familie und Freunden tuen ihr/uns wirklich gut, aber es will heute einfach nicht reichen. Leonie’s Heimweh bleibt Thema des Tages und macht Martin und mich mürbe und nachdenklich! Uns blutet das Herz. Wir haben immer gesagt, wenn sich einer von uns nicht mehr wohl mit unserer Reise fühlt, brechen wir auf jeden Fall ab! Wir haben natürlich schon das Gefühl, dass sich die Kinder mit der Reise wohlfühlen und natürlich wissen wir auch, dass es sowohl zu Hause als auch auf Reisen für jeden von uns gute und schlechte Tage gibt! Aber wie geht man eigentlich mit Heimweh um? Wieviel Heimweh ist okay und ab wann müssen wir handeln?
Der Besitzer des Cafés erzählt uns, dass eine Sturmfront Richtung Chiloé unterwegs ist, die in den nächsten 2 -3 Tagen die Insel erreichen soll. Großartig, genau dann wenn wir uns mit der Fähre Richtung Festland aufmachen wollen. Diese Hiobsbotschaft, zusammen mit ungenauen Angaben über die Dauer der Überfahrt, beunruhigen uns jetzt doch und wir beschließen der Fährengesellschaft Naviera Austral am Hafen noch schnell einen Besuch abzustatten. Zum Glück gibt es dort aber Entwarnung! Von den gelesenen 15- 30h und den von Cabaña- Besitzer Martin vermuteten 18 h, werden hier ca. 12 h veranschlagt. Und Sturm soll an diesem Wochenende auch noch keiner dabei sein. Hurra, eine Sorge weniger!
Und nach mehrmaligem Verfahren schaffen wir es im Anschluss sogar den Cabaña- Besitzer ausfindig zu machen. Dieser packt beim Lokal seine ganze Familie ins Auto und lotst uns raus aus Quellon, über super gatschige „Straßen“ ins Hinterland zur Cabaña. Die Cabaña erinnert ein bisschen an ein Knusperhäuschen. Sie ist total verwinkelt, besitzt 4 Schlafzimmern und ein „Harry Potter“- Besenschränkchen – alles aus Holz. Eigentlich gemütlich, aber der Boden ist leider echt dreckig und unser Krabbelbaby riecht innerhalb kürzester Zeit nach nasser Hund.

Trotzdem – die Kinder finden den Knusperhaus- Abenteurspielplatz super und kurz ist sogar Leonie’s Heimweh vergessen. Nachdem die Kinder ordentlich geschrubbt, nicht mehr nach nasser Hund riechend, friedlich in ihren Bettchen schlafen, diskutieren Martin und ich lange übers Heimweh.
Wo kommt es so stark und so plötzlich her? Und, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, hängen nicht auch wir gerade ein bisschen durch? Färbt unsere Stimmung der letzten Tage vielleicht einfach nur auf Leonie ab?
Eines unserer Hauptprobleme ist, glaube ich, dass wir es einfach nicht hinbekommen unser Spanisch zu verbessern. Einfache Alltagsfloskeln, Einkaufen, nach dem Weg fragen etc. sind alles Dinge, die wir sogar mittlerweile halbwegs hinbekommen, aber wenn dann das Spanisch unseres Gegenübers über uns hereinstürzt, sind wir nach wie vor restlos überfordert. Ich dachte früher immer, wenn ich eine Sprache lernen will und ich mich noch dazu in dem Land befinde, in dem sie gesprochen wird, dann lerne ich die auf jeden Fall auch!? Vor allem, weil mein Bedürfnis, mich mit anderen Menschen zu unterhalten, doch eine super Motivation darstellt. Aber ich wurde definitiv eines besseren belehrt. Muss mir eingestehen, Reiseorganisation und Reisealltag mit Kindern sind einfach genug Herausforderung für uns und die neue Sprache dann doch zu viel!? Brauchen wir als Familie also vielleicht eher englischsprachige Länder bzw. Länder, in denen man mit Englisch besser durch kommt? Macht uns ALLEN das Isolationsproblem durch die Sprache mehr zu schaffen als wir dachten? Oder reisen wir zu schnell und sollten wir einfach nur länger an einem Ort bleiben? Und uns und unserem Spanisch einfach mehr Zeit geben?
So viele Fragen gehen uns durch den Kopf, zu viele für einen Abend! Wir reflektieren noch viel in den nächsten Tagen und beschließen vor allem Leonie in nächster Zeit zu beobachten und gegebenenfalls einen Plan B für uns alle zu erarbeiten.
Eigentlich hätten wir uns ja wirklich kein passenderes Sinnbild als Quellón für unsere momentane Krise aussuchen können. Endet doch genau hier eine der berühmtesten Straßen der Welt – die Carretera Panamerica, die 22.000 km lange Straße, die von Alaska bis Chile 12 Länder miteinander verbindet. Und nun sind wir hier, am Ende dieser imposanten Straße und fragen uns ernsthaft, ob auch unser Südamerika- Abenteuer bald ein Ende haben wird?
Am nächsten Morgen zeigt sich immer noch kein freundlicheres Wetter und in der Cabaña ist es ziemlich kalt geworden. Trotz unseres Holzofens, erwärmt sich nur der obere Stock. Wir schlafen lange und wärmen uns zum Frühstück mit warmen Porridge mit Milch und Honig, und zu Mittag dann nochmal mit Gemüsesuppe auf. Dann fahren wir nochmal ins Cafe „Nómade Ciclo“. Es ist einfach zu nett dort. Nur schade, dass es so teuer ist.
An diesem Nachmittag lernen wir deutsche Zeugen Jehovas dort kennen, die in Chile und Argentinien herumreisen um zu missionieren! Wir hätten echt Lust auf tiefere Diskussionen mit ihnen, aber mit den Kindern, die einfach mehr Aufmerksamkeit wollen, lassen wir es dann doch sein. Danach decken wir uns noch mit Vorräten für 12 h, 15 h, 18 h oder 30 h Fährenfahrt ein!? Wir sind immer noch gespannt, wie lange wir tatsächlich fahren werden. Wenigstens haben wir schon ein Hostal in Puerto Cisnes telefonisch über unsere Anreise informiert.
Im Regen geht es zurück zur Cabaña, dort gibt es Suppenreste für Finn und für uns Kaiserschmarren mit „Bananen-Gatsch“ statt Zwetschkenröster. Wir schlichten und räumen noch lange auf, verstauen alles im Auto, richten Lunchpakete und wollen eigentlich ganz früh schlafen gehen.
Natürlich wird es aber doch wieder halb 11 bis Martin und ich endlich ins Bett kommen. Der Wecker wird in 3,5 Stunden wieder läuten…
Fortsetzung folgt…
Sabrina
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